Mir kam kürzlich eine Idee:
Ein Limerick-Fest fänd' ich schee.
Mit Dichten und Lesen,
Mit Bühne (und Tresen),
Vielleicht sind Sie ja mit dabee?
Was mit einem Limerick in einer Mail an Dagmar List von der Stadtbücherei Spenge im Frühjahr 2023 anfing, wurde zu einem großes Fest der kleinen Kunst: Am 8. Juni 2024 fand das erste und bislang einzige deutschsprachige Limerick-Festival statt. Auf dem Blücherplatz der südnordostwestfälischen Kleinstadt Spenge feierten wir die beste fünfzeilige Versform der Welt. Unter der (Spitz-)Federführung der Stadtbücherei und des Kultur- und Stadtmarketings der Stadt Spenge traf die Crème de la Crème der deutschsprachigen Limerickszene auf ein Publikum, das von Limerick-Lesungen, Talkrunden und Musik mitgerissen wurde.
Höhepunkt der Veranstaltung war die Verleihung des Limerick-Preises der Stadt Spenge, der Spenger Spitzfeder, durch Bürgermeister Bernd Dumcke. Limericks zum Thema #Sehnsuchtsorte#Zuhause#Europa konnten bis zum 12. Mai, dem Welttag des Limericks, eingesendet werden. Aus 93 eingereichten Beiträgen aus Deutschland, Österreich, Rumänien und Dänemark wählte unsere Jury die besten aus.
Du Fleckchen im Grünen und Stillen!
Idyllischste aller Idyllen!
Mein Heim! Mein Zuhaus’!
Hier ruh’ ich mich aus
und höre den Laubbläser brüllen.
Sandra Niggemann ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, pädiatrische Intensivmedizin und Neonatologie . Und sie ist Moderatorin, Kabarettistin und Speed-Dichterin. 2014 hat sie das Stipendium der GEMA-Stiftung "Celler Schule" für Songtextdichter bekommen. Sie schreibt regelmäßig Gedichte, Songs und Songtexte.
Die „Spitzfeder“! Das Wort ist drollig!
Ich möchte was sagen. Wie soll ich?
Ich könnt’ mich beeilen,
gereimt in fünf Zeilen:
Ich danke. Und freue mich bollig! ...
Doch weiter in lyrischer Länge:
Der Jury sei Dank, der Stadt Spenge,
den Eltern,... Gottvater,...
dem Steuerberater,...
der Presse... und Euch hier, der Menge.
Ich hatte ja lang keinen Dunst
von Limericks. Das ist ’ne Kunst:
’Ne besondere Ethik
von fünf Zeilen mit Metrik.
Pass auf, dass du da mal das Versmaß nicht verhunzt…
Man fragt sich vielleicht, was wir treiben,
warum wir bloß Limericks schreiben.
Weil Lyrik und Lachen,
so lustige Sachen
doch helfen beim Menschsein und- bleiben!
Und nützt denn so’n schriftlicher Schwank?
Die Welt ist kaputt und so krank…
Ja, drum braucht sie wie nie
doch Humor, Poesie,
und Musik, heißt: Kultur! – Vielen Dank!
Dieser Limerick von Sandra Niggemann ist eine vollendete Umsetzung des Wettbewerb-Themas #Zuhause, berührt aber auch ein weiteres der drei vorgegebenen Themen, nämlich #Sehnsuchtsorte. Die Autorin feiert hier im Stile der Romantik die emotionale Verwurzelung mit der eigenen Scholle. Die Beschwörung der heimischen Idylle als Rückzugs- und Schutzort wird in der letzten Zeile gekonnt gebrochen durch den Auftritt einer neuzeitlichen Höllenmaschine. Der brüllende Laubbläser zerstört die Idylle und kann als Metapher für ein tiefes existenzielles Verlustgefühl gelesen werden: für die Vertreibung aus dem Paradies. Die Pointe ist perfekt vorbereitet und zündet sofort. Das Gedicht ist sprachlich ein echter Genuss und es hat alle Zutaten, die einen Limerick ausmachen.
Die Jury der Spenger Spitzfeder 2024
Dr. Jan Andres ist Studiendekan der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld. Er lehrt unter anderem "Lyrik zum Lachen: Gedichte und Theorie der Komik".
Edith Jeske ist Gründerin der Celler Schule, deren Ziel es ist, herausragend talentierte Textdichter durch die Vermittelung von Schreibtechniken und Kreativitätsmethoden handwerklich zu professionalisieren.
Heinz Hermann Michels bietet mit deutsche-limericks.de eine anspruchsvolle Sammlung deutschsprachiger Limericks an. Er ist Autor zahlreicher Limericks und zudem langjähriges Mitglied des Segeberger Kreises, einem Verein für kreatives Schreiben.
Dr. Pat Skorge ist Lehrkraft für besondere Aufgaben im Fachbereich Anglistik: British and American Studies der Universität Bielefeld und hat eine große Leidenschaft für Creative Writing.
Neben der Spenger Spitzfeder in Gold wurden eine silberne und zwei (punktgleiche) bronzene Spitzfedern verliehen
Es warnt eine Dame aus Wengen:
Gefahr droht Europa und Schengen,
denn Feinde gibt’s viele
sie haben zum Ziele,
Europa samt Schengen zu sprengen.
Begründung der Jury:
Der „Schengen-Limerick“ von Friedhelm Götz mit seiner schweizerischen Protagonistin hat die spielerischen, wortwitzigen Elemente, die man von einem gelungenen Limerick erwartet. Es gibt herrliche Alliterationen (warnt-Wengen, Gefahr-Feinde-viele, zum Ziele, Schengen-sprengen) und die letzte Zeile zischt förmlich mit bedrohlichen Frikativen. Viele der Wettbewerb-Limericks fangen mit einer guten Idee an aber scheitern an der allerwichtigsten letzten Zeile, da es verdammt schwierig ist, die gute Idee mit dem perfekten Reimwort zu vollenden. Man ist froh, wenn es überhaupt noch reimt. Hier aber passt „sprengen“ perfekt zum Thema, erhöht die Dramatik und unterstreicht die Bedrohung. Jedoch ist dieser Limerick natürlich nicht nur unterhaltsam: der Inhalt ist letztendlich ernsthaft. Geopolitische Thematik im Limerick-Format verpackt. Chapeau!
Vom Nordkap bis runter nach Nizza:
Europa ist bunt wie ‘ne Pizza.
Jeder möchte ein Stück,
mancher sucht hier sein Glück.
Es ist nicht reserviert für Besitzer.
Begründung der Jury:
Europa mit einer Pizza zu vergleichen, trifft hervorragend: in geschliffener Form, elegant mit dem Stabreim Nordkap-Nizza und einer Pointe, die in zehn Silben auf den Punkt bringt, woran sich üblicherweise wortreiche Debatten abarbeiten. Limerick kann, darf und soll erheitern. Er darf aber auch sagen, was gesagt werden muss. Dies gelingt hier frei von Polemik – in einer Selbstverständlichkeit, die umso mehr überzeugt.
Die Sehnsucht ergreift mich mal wieder –
Ich sing nur noch traurige Lieder.
Darum zieht’s mich nun fort
Zum entferntesten Ort…
Doch beim Aufstehn schon schmerzen die Glieder.
Begründung der Jury:
Gedichte von Sehnsucht - nach der Geliebten, dem Süden, der Kunst oder was auch immer - sind Legion in der Literaturgeschichte. „Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn,“ drückte es Goethe aus. Oft verbindet sich die Sehnsucht, das Fernweh aber mit Melancholie, der Einsicht in die Nichterfüllung. So entstehen traurige Lieder. Soweit die klassische Ausgangslage. Dieser Motivkombination nun neue Seiten abzugewinnen, ist nicht einfach. Und immer nur Trauer und Unerfülltheit? Das ist selbst kein Sehnsuchts-Ziel! Jedenfalls für die meisten Leserinnen und Leser nicht. Der Limerick von Aszendent Pirol kommt anfangs ganz klassisch daher, alles tritt erwartbar sehnsüchtig-melancholisch ein. Und dann kommt die ostwestfälische Wende! Wenn schon beim Aufstehen alles weh tut, dann wird zwar auch nicht aufgebrochen, aber die Melencolia (Dürer!) wird mit trockenstem Humor zurück in die Geschichte geschickt. Die bodenständigen Westfalen zieht es nicht in die Ferne, für schmerzende Glieder reicht ein anständiges Sofa im Wohnzimmer - ein Sehnsuchts-Kompensations-Ort!
Der Stadt Spenge: Bürgermeister Bernd Dumcke, Dagmar List und Franziska Herfurth von der Stadtbücherei und Regina Schlüter-Ruff vom Stadtmarketing.
Jens Ohrenblicker Wenzel für Organisatorisches, Limerick'sches und Musikalisches. Er war vor dem und beim Limerick-Fest der Mann für Alles!
Nicolas Bröggelwirth für die Moderation des Festivals.
Der Jury der Spenger Spitzfeder: Dr. Jan Andres, Edith Jeske, Heinz Hermann Michels und Dr. Pat Skorge.
Sonja List für Audiovisuelles.
Willi Giere und Sandra Niggemann für die Teilnahme am Limerick-Jam.
Einem großzügigen Spender, der unserem Festival unter die Arme gegriffen und auf die Beine geholfen hat.
Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Limerick-Wettbewerbs!
Den Bühnentechnikern, dem Bauhof der Stadt Spenge, dem Gastro-Team, "Ticket to Happiness" für die besten Kabel, die man sich vorstellen kann und natürlich:
Allen Besucherinnen und Besuchern des Festivals!
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